Vorgehensweise bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen
Der erste Schritt der forensisch-psychologischen Begutachtung besteht in der Aktenanalyse. Aufgrund der sich hieraus ergebenden Anknüpfungstatsachen werden psychologische Untersuchungsfragestellungen und -hypothesen generiert.
Neben der so genannten „Glaubhaftigkeitshypothese“ – nämlich dass die Aussagen einer Zeugin/eines Zeugen mit hoher Wahrscheinlichkeit erlebnisfundiert sind- werden mehrere relevante Alternativhypothesen spezifiziert, die so lange beibehalten werden, bis sie auszuschließen sind.
Wichtige Anknüpfungspunkte bei der Aufstellung von Alternativhypothesen sind u.a. die Persönlichkeit der Aussageperson, die Geschichte und Entwicklung der Aussage und die Motivlage.
Bei der Untersuchung der Persönlichkeit der Aussageperson gilt es zu klären, ob die Zeugin/der Zeuge aufgrund der gegebenen kognitiven Fähigkeiten überhaupt in der Lage ist, eine verwertbare Aussage zu produzieren.
Die Geschichte und Entwicklung der Aussage bezieht sich auf die Geburtsstunde der Aussage:
Wann und unter welchen Umständen kam es zu Äußerungen über Handlungen, die (beispielweise) als sexueller Missbrauch interpretiert worden sind?
Wem gegenüber sind solche Mitteilungen gemacht worden? Inwiefern ist von einer suggestiven Befragungssituation auszugehen?
Die Motivlage gibt Aufschluss darüber, inwiefern die Zeuge bzw. der Zeuge oder das soziale Umfeld Interesse daran haben könnte, eine andere Person fälschlicherweise zu beschuldigen.
Nach Aktenanalyse und Hypothesenbildung besteht der nächste Schritt im Begutachtungsprozess in der Durchführung der psychodiagnostischen Untersuchung:
Im Mittelpunkt steht hierbei die Aussage, wobei ihre Qualität dahingehend beurteilt wird, inwieweit sie Merkmalskomplexe einer erlebnisfundierten Aussage enthält bzw. nicht enthält.